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Preisbildung bei vollkommener Konkurrenz
4.1.2 Marktgleichgewicht
Existenz

In diesem Abschnitt werden drei Fragen zum Marktgleichgewicht gestellt:

Alle drei Fragen werden unter dem Regime des Preismechanismus betrachtet. Das birgt eine gewisse Gefahr in sich, auf die zunächst hingewiesen sei:

Wenn man sich wieder und wieder mit dem Allokationsmechanismus Markt beschäftigt, dann besteht die Gefahr, dass man den Blick für die Realität verliert. Und ich würde wetten, Sie haben ihn schon verloren.

Wir können leicht prüfen, ob das der Fall ist. Dazu betrachten Sie bitte Abbildung 1, die einen Arbeitsmarkt zeigt. Überlegen Sie sich, welche Situation auf diesem Markt auf keinen Fall zustande kommen kann. Zur Auswahl stehen A, B, C und D.

Abbildung 1
Die Punkte A, B, C und D zeigen Lohn-Arbeitsmengen-Kombinationen. A zeigt das Gleichgewicht. Könnten auch die drei anderen Situationen B, C und D beobachtet werden?Klicken Sie auf Mindestlohn oder Höchstlohn, um sich die Auswirkungen von Mindest- und Höchstlöhnen in Abbildung 1 anzeigen zu lassen.

Das Marktgleichgewicht A kommt natürlich in Frage. Auch B wäre ohne Weiteres denkbar. Wenn es eine Mindestlohnvorschrift in entsprechender Höhe gäbe, würden die Unternehmen nicht mehr Arbeit nachfragen wollen, als durch den Punkt B angezeigt. Wie ein Mindestlohn wirkt , werden wir später noch genauer analysieren.

Die Lohn-Arbeitsmengen-Kombination, die durch C angezeigt wird, könnte theoretisch zustande kommen, wenn es eine "Höchstlohnvorschrift" gäbe. Dann würden nur wenige Haushalte Arbeit anbieten wollen.

Sowohl durch den Mindestlohn als auch durch den Höchstlohn wäre jeweils eine der beiden Marktseiten durch die andere restringiert. Beim Mindestlohn greift die Nachfrage, sodass es zu einem Überschussangebot kommt. Beim Höchstlohn ist das Angebot die kürzere Marktseite und es kommt zu einer Überschussnachfrage.

Aber wie sieht es mit Punkt D aus? D liegt weder auf der Nachfrage-, noch auf der Angebotsfunktion. Auf D haben Sie auch getippt, nicht wahr? Dann liegen Sie aber falsch, denn ein Punkt wie D zeigt eine für den deutschen Arbeitsmarkt wahrscheinlichere Situation als ein Punkt wie B. Diese Situation resultiert aber nicht aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, sondern wird in Tarifverhandlungen durch Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften festgeschrieben.

Wenn der Preismechanismus außer Kraft gesetzt wird, dann kann man mit Angebots- und Nachfragefunktionen allein natürlich keine Lösung mehr ableiten. Um die Lösung zu finden, die sich unter dem Regime des Verhandlungsmechanismus einstellt, kommt man um eine Erweiterung des Modells nicht umhin.

Die Ausführungen auf den folgenden Seiten werden aber - wenn nichts anderes angemerkt wird - immer vom Preismechanismus ausgehen. Festzuhalten bleibt hier zunächst, dass andere Mechanismen natürlich auch zu anderen Lösungen führen können.

Warum Punkt D eine sinnvolle Verhandlungslösung sein kann - ist nicht weiter wichtig zum Verständnis der folgenden Seiten, aber vielleicht interessiert es Sie ja - sonst blättern Sie jetzt einfach weiter.
Zum Nachdenken
1. Überlegen Sie, ob ein Punkt auf einer Transformationskurve einem Punkt unterhalb der Transformationskurve in jedem Fall vorzuziehen ist.
2. V. fährt ein Rennen optimal und wird Dritter. Das nächste Rennen fährt V. nicht optimal und gewinnt. Ein Widerspruch?

In den Verhandlungen mit den Arbeitgeberverbänden müssen die Gewerkschaften mehrere Zielgrößen im Auge behalten. Dazu zählen zumindest die Lohnhöhe und das Ausmaß der der Beschäftigung. Leider zieht aber ein höherer Lohn aufgrund der fallenden Nachfragefunktion in der Regel eine geringere Beschäftigung nach sich. Die Gewerkschaften befinden sich also in einem Dilemma.

Wenn wir unterstellen, dass die Gewerkschaften die Lohnsumme aller Arbeitskräfte maximieren möchten, so berücksichtigen wir beide Größen, da sich die Lohnsumme durch die Multiplikation der Lohnhöhe mit der Beschäftigung ergibt. Das ist plausibler, als den Gewerkschaften zu unterstellen, sie wären ausschließlich an hohen Löhnen interessiert.

Abbildung 2
Die grüne Fläche des Rechtecks entspricht dem Produkt aus Lohn (3) und Beschäftigung (4) und zeigt somit die Lohnsumme über alle Beschäftigten (12). Wenn Sie die Maus über die Grafik stellen, sehen Sie, dass die Lohnsumme in B trotz der geringeren Beschäftigung höher ist. Der Grund ist die unelastische Arbeitsnachfrage.

Im Marktgleichgewicht A in Abbildung 2 beträgt die Lohnsumme 12. Die Gewerkschaften würden den Punkt B in der klickbaren Grafik dem Gleichgewicht vorziehen, denn bei einer Lohnhöhe von 5 würde die Beschäftigung zwar auf 3 fallen, aber die Lohnsumme auf 15 steigen, da die Beschäftigung prozentual weniger fällt als die Löhne steigen (die direkte Lohnelastizität der Nachfrage ist kleiner als 1).

Angenommen die Gewerkschaften würden mit den Arbeitgebern nur über die Höhe des Lohnes verhandeln und man hätte sich auf einen Lohn von 5 geeinigt. Dann könnte man im Diagramm sofort ablesen, dass die Unternehmen eine Beschäftigung in Höhe von 3 wählen würden. Diese Beschäftigung würde nämlich die Gewinne in den einzelnen Unternehmen maximieren.

Die beiden Parteien wären aber schlecht beraten, ausschließlich über den Lohn zu verhandeln. Ein Vertrag, in dem sie sowohl die Höhe des Lohnes als auch die Beschäftigung festschreiben, könnte für beide von Vorteil sein. Wenn der Vertrag z.B. über eine Lohnhöhe von 4,6 und eine Beschäftigung von 3,6 geschlossen werden würde, dann entspräche diesem Vertrag im Diagramm der Punkt D. Aus Sicht der Gewerkschaften ist D für das Ziel der Lohnsummenmaximierung unzweifelhaft besser als B, denn 3,6 mal 4,6 ergibt 16,56, während die Lohnsumme in B nur 15 beträgt.

Ob D auch aus Sicht der Arbeitgeber B vorzuziehen ist, können wir aus dem Diagramm leider nicht unmittelbar ablesen. Aber es ist nicht unplausibel, dass die Arbeitgeber Zugeständnisse bei der Beschäftigung machen werden, wenn die Gewerkschaften im Gegenzug Zugeständnisse beim Lohn machen. Und genau das passiert ja beim Übergang von B nach D. Der gestiegenen Lohnsumme steht eine höhere Beschäftigung und damit mehr Produktion und Umsatz gegenüber. So ist es möglich, dass die Unternehmen in D einen höheren Gewinn erwirtschaften als in B. Tatsächlich kann man sogar zeigen, dass eine solche Lösung nicht nur möglich ist, sondern in jedem Fall existiert. Dazu ist allerdings das etwas kompliziertere Instrument von Isoprofitkurven notwendig, das erst später eingeführt wird.

In der Praxis bedeutet das, dass die Unternehmen die Beschäftigung bei den herrschenden Löhnen gerne geringer wählen würden, sich mit den Gewerkschaften aber z.B. darauf geeinigt haben, keine (betriebsbedingten) Kündigungen auszusprechen. 

In Punkt B maximieren die Unternehmen ihren Gewinn bei einer Beschäftigung von 3. In Punkt D maximieren sie ihren Gewinn bei einer Beschäftigung von 3,6 nicht - ohne die tarifvertragliche Bindung würden sie die Beschäftigung eigentlich gern in Richtung der Nachfragfunktion reduzieren. Daraus kann man aber nicht schließen, dass der Gewinn in B höher ist als der in D.

Die Überlegung des letzten Absatzes ist für manchen schwierig! Etwas allgemeiner formuliert, leuchtet sie aber unmittelbar ein und ist von großem Wert, wenn man sich im rechten Moment an sie erinnert:

Eine suboptimale Situation kann besser sein als eine optimale Situation, wenn nicht dieselben Rahmenbedingungen gelten. ("Äpfel mit Birnen vergleichen.")